I. Mannschaft

Als ich am frühen Morgen im nordhessischen Altenstädt erwachte, geschah dies mit einem guten Gefühl. Die Amseln sangen ihr morgendliches Lied, die Sonne erhob sich rotgolden über dem Horizont und ich begab mich auf meine allwöchentliche Morgen-Laufrunde. Auf diesen gut neun Kilometern Strecke habe ich immer so allerlei Zeit, über dies und das nachzudenken und im Fokus stand diesmal natürlich das am Nachmittag anstehende erste Heimspiel des Jahres 2022.
Vorfreude.
Das war das alles beherrschende Gefühl. Der Auftakt ins Fußballjahr am Wochenende zuvor war mit dem knappen, aber hochverdienten 1-0 in Neuenheerse gelungen und nun kam mit TiG Brakel ein schwer einzuschätzender Gegner nach Bonenburg. Die Tordifferenz der Gäste (30:28) ließ auf eine durchaus gefährliche Offensive, aber eben auch auf eine anfällige Defensive schließen. Das Hinspiel entschieden die Brakeler deutlich mit 3-0 für sich, allerdings spiegelte das den Spielverlauf in keiner Weise wieder, denn unsere Mannschaft war damals im Thermomix-Stadion keineswegs schlechter, sondern scheiterte wie so oft überwiegend an der Chancenverwertung, denn Gelegenheiten erspielten sie sich en masse.
Aber das war Vergangenheit, nun stand das Rückspiel in Bonenburg an und somit die Chance auf Wiedergutmachung. Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser wurde mein Gefühl. Heute war mal wieder ein Tag, um Geschichte zu schreiben. Wie sehr ich Recht behalten sollte, das war mir allerdings noch nicht klar…
Gegen 13 Uhr traf ich in Bonenburg ein und zuhause hielt mich nichts. Ich schnappte meine Sachen und eilte in Richtung Sportplatz. Endlich wieder in meinem Wohnzimmer, in dem wir schon so viele Feste gefeiert, so viele Niederlagen betrauert und Siege bejubelt haben. Ein Ort, behaftet mit einer Vielzahl an Emotionen – hier schlägt das Herz des Fußballs.
Schnell war alles aufgebaut und schon bald ertönte Tom Astors „Hallo Guten Morgen Deutschland“ über die Gemeinde Bonenburg, damit auch ja jeder mitbekam, dass wieder Fußball ist. Zur Feier des Tages ertönte das Stück sogar zweimal – ehe AC/DC, Manowar und Pink Floyd übernahmen. Sehr zur Freude unseres ortsansässigen Bäckermeisters und Edel-Fans Josef Brechtken bekamen auch die großartigen Dire Straits ihren verdienten Raum.

Bis zum Anpfiff füllten sich die Ränge deutlich, etwa 80 Zuschauer fanden den Weg zum Sportplatz und sorgten für eine ordentliche Kulisse. Die meisten gesellten sich dabei links und rechts neben der Tribüne, um die Frühlingssonne genießen zu können – im Schatten war es doch recht frisch.
Der Anpfiff verzögerte sich ein wenig, da unsere Mannschaft sich offenbar intensiv einschwor, erst kurz nach 15 Uhr erklommen sie die Treppe, die vom Kabinentrakt zum Platz führte. Zwar forderte der Schiedsrichter die Mannschaft mittels Pfiff zum Kommen auf, doch diese ließ sich davon nicht beeindrucken. Der Unparteiische bewies hier erstmals Geduld.
Bei unserer Mannschaft war das Stammpersonal weitestgehend an Bord, neben den Langzeitverletzten fehlten Daniel Wulf (Erkrankung), Hendrik Hoppe und Jaspar Wagemann (er hatte Köln), dafür war Daniel Berendes angereist und nahm zunächst auf der Bank Platz. Trainer Dennis Kleinert tat es ihm gleich.

Anpfiff

Vom Anpfiff weg legte unsere Mannschaft los wie die Feuerwehr, noch während ich die Aufstellungen verlas gab Daniel Schäfers mit einem ersten gefährlichen Schuss direkt die Richtung vor (3.), der Ball verfehlte sein Ziel nur knapp.
Nach fünf Minuten drang Noah Wagemann über die linke Seite in den Strafraum ein, legte sich den Ball mustergültig zurecht, holte noch mustergültiger aus und zog ab. Die Kugel flog wie ein Strich vorbei am chancenlosen Gästekeeper zum 1-0 für den SVB in die Maschen! TOOOOOOOOOOOOOOR für den SVB! Erstes Saisontor für Noah, sensationeller Treffer! Toller Auftakt!

Nach rund zehn Minuten zeigten die Gäste erstmals Nerven, direkt vor der Bonenburger Bank kam es zu verbalen Scharmützeln. Der exzellente Schiedsrichter Robert Kempter aus Versmold unterband aber jegliche Hektik im Keim. Noch.
Ein Angriff nach dem anderen rollte auf das Gästetor zu, unsere Mannschaft strotzte nur so vor Spielfreude. Nach einer Viertelstunde war es Jan Müller, der halbrechts in den Sechzehner lief, den Ball am Fuß. Er schoss. Am Keeper vorbei. TOOOOOOOOOOOOOOOOOOOR! 2-0 (15.).

TiG hatte bis hierher nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen. Ein einziges Mal musste Mike Hartmann im Tor eingreifen, indem er aus dem Strafraum herauskam und den Ball wegdrosch, bevor Gefahr aufkommen konnte. Sonst hatte er einen gemütlichen Nachmittag. Leider waren noch keine Gänseblümchen zugegen, die er hätte zählen können.
Es spielte nur der SVB. Es war noch keine halbe Stunde auf der Uhr, als ein Schrei den friedlichen Sonntagnachmittag durchdrang. Ein Bonenburger wurde in des Gegners Strafraum gefällt. Der Schiedsrichter zögerte keine Sekunde und zeigte auf den Punkt. Elfmeter. Mein lieber Mann, an diesem Nachmittag lief aber auch alles. Tobi Ricken schnappte sich den Ball, legte ihn sich zurecht. Er wollte UN-BE-DINGT das Tor, auf das er schon so lange wartete. Und was soll ich sagen? Nachdem der Schiedsrichter den Ball freigab, lief Tobi an, zog ab…kurze Atempause…das Netz zappelte…JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA! 3-0 (27.).

Unsere Mannschaft zeigte das beste Spiel seit langem, wie entfesselt kämpften sie um jeden Ball, ließen hinten nichts, aber auch gar nichts zu. Wie unser Kapitän später zu Protokoll gab, nahm man den Gästen „die Lust am Fußball“. Genau das bringt es auf den Punkt. Man merkte förmlich, wie das Nervenkostüm bei den Gästen immer dünner wurde. Sie schnauzten sich gegenseitig an, haderten mit sich und der Welt. Unsere Jungs hingegen machten das einzig Richtige: Sie ließen sich davon in keiner Weise anstecken.

Nun spielten unsere Mannen erst einmal den Stiefel bis zur Pause runter, ließen hinten nichts anbrennen, ließen den Ball gut in den eigenen Reihen laufen. Nach einer kurzen Nachspielzeit pfiff der Unparteiische zur Pause.

Halbzeit

Wo man hinschaute, sah man auf der schwarz-weißen Seite zufriedene Gesichter. So hatten wir unsere Mannschaft lange nicht erlebt. Spielfreude, Biss, Wille, Kampf. Bis hierher war es das perfekte Spiel. Nun hieß es abwarten, wie es nach der Pause weitergeht. Unser Trainerduo sah keinen Anlass, zu wechseln, so dass der SVB unverändert aus der Kabine kam.

Es dauerte nicht lange, bis es wieder im Brakeler Kasten klingelte. Diesmal war es der Kapitän höchstpersönlich, der wie desöfteren im Spiel den Ball couragiert in den Strafraum brachte – diesmal zog er ab und die Kugel schlug ein (54. 4:0). Damit machte er wohl den Sack endgültig zu, beseitigte jedweden Zweifel, wer am Ende die Punkte einheimsen sollte. Direkt danach wechselte sich Lars selber aus, für ihn kam Kevin Hibbeln in die Partie (55.).

Brakel verlor im Anschluss nicht nur das Spiel, sondern auch die Nerven. Nach einer guten halben Stunde flogen ihnen die Karten nur so um die Ohren, in der 61. Minute zeigte der Schiedsrichter gleich drei von ihnen die Gelbe Karte, eine Minute später zog er sogar die Rote Karte.

Nach dem Spiel zeigte mir der Unparteiische seine im Spiel gemachten Notizen – der Zettel war voll bis zum Anschlag und darauf waren Worte zu lesen, die ich hier nicht wiedergeben möchte.
Auslöser dazu war eine Freistoßentscheidung unmittelbar am Gästestrafraum. Kurz vorher hatte Patrick Brechtken es mit Gewalt versucht, diesmal wählten die Jungs eine butterweiche Variante über mehrere Stationen – zum guten Schluss landete der Ball bei Roland Seewald, der so trocken wie humorlos zum 5-0 einschoss (64). Dessen Freundin Lea (wenn diese am Platz weilt, ist das stets ein gutes Omen) sagte mir vor dem Spiel, dass Roland ihr ein Tor versprochen habe. Und Roland lieferte. So kennen wir unsere Nummer Vier!

Kurz danach sah erneut ein Gästespieler die Gelbe Karte. Eine „bunte“ zweite Halbzeit bahnte sich an.
In der 72. Minute nutzte der SVB den sich durch die Überzahl bietenden Freiraum aus. Sie spielten im Gästestrafraum Katz und Maus mit den gegnerischen Verteidigern und zuguterletzt war es Kevin Hibbeln, der goldrichtig stand und den Ball über die Linie schieben konnte. 6-0. Unfassbar. Hätte mir das einer vor Anpfiff erzählt, hätte ich ihn für verrückt erklärt.

Unmittelbar im Anschluss musste der nächste TiG-Akteur vom Platz, der Schiedsrichter zog die Ampelkarte (73.).
Die Schlussviertelstunde war geprägt durch Auswechslungen unserer Mannschaft, Daniel Berendes kam zunächst für Jan Müller ins Spiel (84.). In der 88. Minute brachte sich Dennis Kleinert selbst ins Spiel und dazu mit Joel Graute einen weiteren Akteur unserer „Jungen Wilden“, für sie gingen Tobi Ricken und Joseph Schwiddessen vom Feld, die beide viel Applaus für ihre gute Leistung erhielten.
In der Folge wurde es noch einmal hektisch. In der 88. Minute flog der nächste TiG-Spieler vom Platz, der Schiedsrichter zückte abermals glatt Rot.
In der dritten Minute der Nachspielzeit holte sich dann der Torwart der Gäste erst Gelb und unmittelbar danach direkt Gelb-Rot ab. Dass Patrick Brechtken eine Minute zuvor das 7-0 erzielt hatte, ging in dem ganzen Zirkus beinahe unter. Ich hatte schon nach dem 5-0 davon Abstand genommen, die Tore wie gewohnt zu zelebrieren, weil ich die Gäste nicht noch unnötig provozieren wollte.

Nachdem also der vierte Spieler der Gäste vom Platz musste, beorderte offenbar der TiG-Betreuer seine verbliebenen Spieler vom Platz, so dass der Schiedsrichter sich genötigt sah, die Partie abzubrechen.

Spielabbruch

Somit wird das Spiel die Sportgerichtsbarkeit beschäftigen. Dass es für Bonenburg gewertet wird, steht wohl außer Frage – die Frage ist nur, wie es gewertet wird. Sportlich gerechtfertigt wäre es sicherlich, die Begegnung in voller Höhe zu werten, aber die Entscheidung fällen andere. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt die Wertung jedenfalls vakant und schlägt sich noch nicht in der Tabelle nieder.

Der Schiedsrichter hatte im Anschluss alle Hände voll zu tun, sein Spielbericht war vermutlich länger als ein Ken Follett-Roman.

Sportlich gesehen war es das beste Spiel einer Bonenburger Mannschaft seit langer, langer Zeit, es passte alles zusammen. Die Jungs spielten wie aus einem Guss – die eigentlich favorisierten Brakeler verloren auch in der Höhe vollkommen verdient. Interessanter Fakt ist auch, dass sieben verschiedene Spieler die sieben Tore erzielten. Weil es so schön war und ist, hier noch einmal unsere Torschützen:
1-0 Noah Wagemann (5.)
2-0 Jan Müller (15.)
3-0 Tobi Ricken (Foulelfmeter, 27.)
4-0 Lars Hoppe (54.)
5-0 Roland Seewald (63.)
6-0 Kevin Hibbeln (72.)
7-0 Patrick Brechtken (90.+2)

Ungeachtet der Begleitumstände war es ein herausragendes Spiel unserer Mannschaft.
Ich bin stolz auf euch!
Danke 🖤🤍
Nur der SVB!